Vorwort vom Schreibsalon Berlin:
Ein Bild, ein Brief, oder eine Postkarte, dienen als Vermittler zwischen gestern und heute, aber auch zwischen zwei Menschen. Es ist der Ausdruck einer dimensionslosen Verbindung, die Zeit und Raum überdauert. Das geschriebene Wort bleibt in Erinnerung und dadurch lebendig.
Ich danke Ute Storjohann für diesen wunderschön berührenden Beitrag und kann nur jeden ermutigen, seine/ihre Geschichte mit uns zu teilen.
Kultur ist existentiell. Erzählen wir allen davon!

Wintergedicht
Winter!
Ich liebe:
Den sichtbaren Atemhauch,
das weiß bepuderte Gartenland.
Vogelspuren mustern den unberührten Schnee.
Der Hase lebt in meinem Garten.
Ich lächele beim Gedanken an vergangene Zeiten.
„Schneemann, wo bist du? – Du fehlst mir hier!“
10°C am neunten Januar und meine Hoffnung schwindet stetig.
Mein Enkel sah sommerliche Hagelkugeln,
dich noch nie.
Wolken regnen Tropfen, verzauberte Eiskristalle tanzen nicht.
Zunge herausgestreckt, Scheeflocken fangen,
vergessenes Spiel.
Ich lausche nach der Winterstille.
Ich höre rasenden Autolärm.
Zeit eilig verrinnt.
Ich warte.
Worauf?
Ich hauche meinen Atem an die Glasscheibe der Terrassentür. Die Feuchtigkeit legt
sich nieder. Nach ein paar Sekunden verschwindet sie. Vergänglich wie der Schnee,
denke ich. Es lebt seine Zeit. Ich suche. Zeitlosigkeit. Was bleibt, wenn ein Leben
geht? Ein Stück weit Du. Du in mir. Etwas von Dir bleibt. Ich begreife es mit dem Herzen.
Deine Postkarten aus Berlin sammle ich in einer Mappe. Diese leuchtet mir auf dem
Schreibtisch entgegen. Sie trägt ein Papierkleid. Das Papier malte ich selbst an.
Dann holte ich mir die Graupappe, schnitt sie zu und klebte es auf. Es ziert nun den
Einband der Mappe.
Manchmal öffne ich die Sammelmappe. In ihr verbergen sich Schätze. Postkarten
und Briefe. Ich nehme eine Karte heraus. Ich hauche die Worte, die ich lese, in den
Raum. Höre ihren Klang. „Klingt es nicht nach Liebe?“, frage ich.
Ich denke an meine Tante. Elfriede lebt im Seniorenstift. Sie zog vor zwei Jahren dort
ein. Sie nahm ein paar eigene Sachen mit in ihr letztes Heim.
Bei einem Besuch erblickte ich ein Bild an der Wand. Ein gemaltes Aquarell hing über ihrem Bett. „Oh, das hast Du mitgenommen.“ sagte ich. „Ja, es erinnert mich an meinen Blumengarten.“, antwortete sie. „Und an Dich.“ Sie lächelte mich an. „Ich nahm das Wichtigste mit.“ „Danke,“ sprach ich, die das Bild gemalt hatte. Es war ein Geschenk an sie. Mohnblumen und Veilchen. Ich schnupperte. Der Duft von Veilchen stieg mir in die Nase. Roch es nicht nach Erinnerung an eine vergangene Zeit? Und wieder Briefe und Karten. Eine Kiste mit Briefen und Karten reisten mit ihr. Als sie die Kiste öffnete, erklang die Meldoie „Vergiss mich nicht.“(Lonny Kellner). Sie kramte in ihr herum und zog einen Brief heraus. „Ich lese immer mal wieder einen.“, sagte sie. Ich lächelte. Ein paar Tage später schrieb ich ihr einen Brief. „Ich vergesse Dich nicht. Bis bald.“, endete er.
Ich hatte gefunden, was ich suchte. Etwas bleibt von Dir. Manchmal ist es ein Bild.
Ab und zu ein Geruch. Oft eine Erinnerung. Deine Musik. In jedem Fall Liebe.
Dankbar schaue ich in den Garten. Es hat geschneit. Es gibt ihn also noch. Den
Schnee im Winter. Wie lange noch?
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